Aus der Initiative „Palandt umbenennen“ wird:

„Palandt umbenannt: Initiative für eine kritische Erinnerungskultur in der Rechtswissenschaft”

– Konzept und Selbstverständnis für die Neuaufstellung unserer Initiative –

In der Initiative „Palandt umbenennen“ hat sich in den letzten Jahren eine Vielzahl rechtshistorisch interessierter Nachwuchsjurist:innen gesammelt, um sich gemeinsam mit der Geschichte des Beck’schen Kurz-Kommentars zum BGB auseinanderzusetzen. Er steht pars pro toto für die Verstrickung der rechtswissenschaftlichen Publizistik in das Unrecht des Hitler-Regimes und dessen Nachwirken in der Nachkriegsordnung. Mit zahlreichen Schriften und Diskussionsveranstaltungen haben wir uns dabei seit 2016 für eine Umbenennung des Werkes eingesetzt, zu der der Verlag C. H. Beck sich nach jahrelangem Widerstand im Sommer 2021 durchgerungen hat. Wir begrüßen diesen Schritt, kritisieren aber zugleich, dass für die Neubenennung ein Name ohne jede Verbindung zu der historischen Entwicklung des Werkes gewählt wurde und der Verlag sich damit in Widerspruch zu seiner ursprünglichen Argumentation setzt, wonach er durch das Festhalten am Namen „Palandt“ an Geschichte erinnern wolle. Er hat so die Chance verpasst, der vielfach vergessenen Opfer der NS-Herrschaft zu gedenken. Eine Benennung des Werkes nach dem Verleger Otto Liebmann drängte sich für diesen Zweck aus unserer Sicht geradezu auf. Ebenso sind andere Wege für die materielle wie immaterielle Kompensation der Opfer der NS-Herrschaft zu erwägen, von der der Verlag so entscheidend profitiert hat.

Obwohl die Debatte um den vormaligen „Palandt“ damit aus unserer Sicht noch nicht zu Ende ist, wollen wir die erfolgte Umbenennung zum Anlass nehmen, die Perspektive unserer Initiative zu weiten, und auch über die Diskussion um dieses spezielle Werk hinaus für eine historisch reflektierte Erinnerungskultur im Bereich der Rechtswissenschaft eintreten:

  1. Dazu gehört zum einen die Beschäftigung mit der Benennung weiterer rechtswissenschaftlicher Werke nach historischen Persönlichkeiten.
  1. Zum anderen wollen wir dazu beitragen den  neu geschaffenen § 5a Absatz 2 Satz 3 DRiG mit Leben zu füllen. Dieser macht die historisch-kritische Reflexion des juristischen Pflichtstoffes zum verbindlichen Unterrichtsgegenstand im rechtswissenschaftlichen Studium. Dafür wollen wir bereits bestehende Lehrmaterialien sammeln und bei Bedarf neue Lehrmaterialien wie Reader mit Primär- und Sekundärquellen oder Skripten erstellen und Vorschläge dazu machen, wo eine historische Betrachtung gewinnbringend in das Curriculum eingebracht werden.
  1. Nicht zuletzt wollen wir als Initiative in Zukunft ein Forum für all jene sein, die sich (wissenschaftlich) mit der Verstrickung von Jurist:innen und (juristischen) Institutionen in staatliches Unrecht und den heute daraus zu ziehende Konsequenzen beschäftigen wollen. Denkbar sind sowohl (finanzielle) Förderungen als auch die Organisation von Konferenzen.

Da die beschriebenen Aufgaben schwerlich allein zu bewältigen sind, wollen wir uns zukünftig noch stärker mit anderen – insbesondere auch studentischen – Akteur:innen vernetzen, die einen ähnlichen Arbeitsschwerpunkt haben, und dieses Netzwerk auch anderen Interessierten zur Verfügung stellen. Zu diesem Zweck werden wir auf unserer Homepage beispielsweise auf thematisch einschlägige Veranstaltungen und Publikationen anderer Organisationen hinweisen und dort auch eine Liste potentieller Ansprechpartner:innen für Forschungskooperationen o. ä. veröffentlichen.

Die Initiative ist weiterhin und jederzeit offen für alle Interessierten und arbeitet auf ehrenamtlicher Basis. Sollte es jedoch gelingen, Fördermittel einzuwerben, könnten diese eingesetzt werden, um die skizzierten Aufgaben besser zu bewältigen, als dies rein durch ehrenamtliche Kräfte möglich ist. Gewinnbringend könnte hier sowohl die Finanzierung von wissenschaftlichen Referent:innen und studentischen Hilfskräften, als auch die Ausschreibung von Förderstipendien sein.

 

Hier zur Dokumentation vorherige Beiträge:

Erfolg!

Das Festhalten an der Benennung des wichtigsten deutschen Zivilrechtskommentars nach Otto #Palandt hat diesem Mann jahrzehntelang eine unverdiente Ehre erwiesen. Dass der Verlag C.H.BECK am 27.07.2021 angekündigt hat, diese Praxis nun zu beenden und im gleichen Zuge weitere Nationalsozialisten von ihren Ehrenplätzen entfernt, begrüßen wir.

Wir sehen die Entscheidung auch als Ergebnis der intensiven Debatte an, die wir und andere mit dem Verlag in den letzten Jahren geführt haben. Unser Ziel war dabei das Erinnern, nicht das Vergessen.

Es bleibt daher auch nach den Umbenennungen die Aufgabe, das Gedenken an die Verstrickung von Juristinnen und Juristen in das Unrecht der NS-Herrschaft und auch das Gedenken an seine Opfer wach zu halten. Letzteres gilt insbesondere für die jüdischen Juristinnen und Juristen wie den Verleger Otto Liebmann, deren Rolle in der deutschen Rechtsgeschichte die Nationalsozialisten in ihrem Wahn zu tilgen versuchten.

Liebmann als neuen Namensgeber des Beck’schen Kurz-Kommentars zum BGB zu wählen, wäre daher eine Chance gewesen, die der Verlag leider verpasst hat.

Als Initiative werden wir uns weiter für eine kritische zeitgeschichtliche Reflektion der Rolle der Jurisprudenz in der NS-Zeit und insbesondere für eine Verankerung dieser Auseinandersetzung in der juristischen Ausbildung einsetzen.


Weitere Stellungnahmen werden in den nächsten Tagen folgen.

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Janwillem van de Loo, Initiator der IPU hat am 27.07.2021 ein Radio Interview bei DLF Kultur gegeben

https://ondemand-mp3.dradio.de/file/dradio/2021/07/27/ueberfaellige_verlagsentscheidung_keine_ehrung_mehr_fuer_drk_20210727_2309_80b564d9.mp3

und am 29.07.2021 ein Kommentar für das Anwaltsblatt geschrieben:

https://anwaltsblatt.anwaltverein.de/de/anwaeltinnen-anwaelte/anwaltspraxis/Palandt-umbenannt

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Hier zur Dokumentation unser altes Selbstverständnis, welches nun überarbeitet wird:

Es gehört zum gesellschaftlichen Konsens in unserem Land, keine Denkmäler für Nationalsozialisten zu pflegen. Aus guten Gründen akzeptieren wir heute keinen Rudolf-Heß-Platz mehr, kein Auto-Modell namens “Himmler” und keine Hermann-Göring-Schule. Die Selbstverständlichkeit, mit der solche Namensgebungen als undenkbar gesehen werden, stehen in starkem Kontrast dazu, dass in jeder rechtswissenschaftlichen Fakultät, fast jedem Amt, jedem Gericht und jeder Kanzlei ein juristisches Standardwerk zu finden ist, welches den Namen eines führenden Nationalsozialisten trägt. Wenn Hermann Göring und Rudolf Heß, Heinrich Himmler und Roland Freisler als Namensgeber tabu sind, dann muss es auch Otto Palandt sein. In seinem Aufgabenbereich, der Ausbildung des gesamten juristischen Nachwuchses für Staat und Wissenschaft, war er ihr funktionales Äquivalent.

Der “Palandt” ist der meistverkaufte deutsche Zivilrechtskommentar. Seit 1938 ist das juristische Standardwerk nach Otto Palandt benannt, der als Präsident des Reichsjustizprüfungsamtes, Mitglied der NSDAP und der Akademie für Deutsches Recht die sogenannte „Arisierung“ des Rechtswesens vorantrieb. Er war maßgeblich daran beteiligt, Frauen aus dem Studium der Rechtswissenschaften zu drängen und forderte, Junge Juristen müssten lernen, „Volksschädlinge zu bekämpfen“ und die „Verbindung von Blut und Boden, von Rasse und Volkstum“ begreifen. Kommentiert hat Otto Palandt in dem nach ihm betitelten Werk nie, seine “Mitarbeit“ beschränkte sich darauf, das nationalsozialistische Regime glorifizierende Vorworte abzufassen. Dennoch vertreibt der große und renommierte rechtswissenschaftliche Verlag C.H. Beck diesen wohl am meisten zitierten Gesetzeskommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch bis heute unter seinem Namen.

Es ist höchste Zeit, den „Palandt“ endlich umzubenennen, um dieser grotesken Ehrerweisung ein Ende zu setzen.

Dafür setzen wir uns ein.